Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
23.09.2016


Revision 3.0
Martin Weiler Teil 1

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Stand der Technik 1957 und erste technische Veränderungen

Im September 1957 stand ich  im Büro des damaligen Personalchefs der "Deutschen Lufthansa " in der DDR ( die Namensänderung in Interflug erfolgte erst später nach der rechtlichen Auseinandersetzung mit der DLH in der damaligen BRD) auf dem Flughafen Schönefeld und bewarb mich um eine Anstellung als Funkmechaniker.
Nach einigem Hin und Her wurde ich dem Leiter der Abteilung " Nachrichten" vorgestellt, der mit mir ein kurzes Fachgespräch durchführte und  offenbar die fachliche Qualifikation anerkannte. So wurde ich als Funkmechaniker in der Nachrichten-Werkstatt eingestellt. Die Entlohnung war für damalige Zeiten unterer Durchschnitt, 1,40 Mark pro Stunde, aber ich war froh, einen Arbeitsplatz in Wohnortnähe gefunden zu haben. Die Nachrichten-Werkstatt war zu dieser Zeit "Mädchen für Alles". 
Neben der Technik im Tower, der speziellen Fernmeldetechnik der Flugleitung und den Navigationsanlagen, wurde auch die  Stromversorgung der Flugsicherungseinrichtungen in Stand gehalten.

An Personal waren in der Werkstatt beschäftigt :  

  • 1 Meister
  • 3 Funkmechaniker
  • 2 Elektromechaniker
  • 2 Fein-Mechaniker
Die Sende-Empfangsanlagen waren in einem anderem Gebäude ( Radiozentrum ) installiert und wurden von 5 Funkmechanikern im 3-Schichtbetrieb betreut. Die 4 Techniker, die die Fernmeldeanlagen (Telefon, Fernschreiber und Uhrenanlagen ) betreuten, hatten ihren Arbeitsplatz in der Telefonzentrale der ehemaligen Henschel-Firma.
Als Fahrzeug stand der Nachrichten-Werkstatt nur ein Motorrad mit Beiwagen ( BMW ) und ein E-Karren zur Verfügung. Für weitere Strecken und Materialtransporte konnte  ein FRAMO-Pritschenwagen  der Flugsicherung, mit Fahrer, in Anspruch genommen werden.
Framo
Der Flughafen war in Nord- und Südteil aufgeteilt.
Der Norden war unter sowjetischer Verwaltung. Der Südteil weitestgehend der DDR zugeordnet. Alle Anlagen entsprachen  in ihrem technischen Stand einem Feldflughafen, auf dem Militärmaschinen landen und starten konnten. Die technischen Einrichtungen stammten zum Teil aus der Ära der ehemaligen "Henschel Flugzeugwerke"  und waren von der sowjetischen Armee  für ihre Zwecke ergänzt worden.

Dementsprechend war auch die funktechnische Bodenausrüstung  beschaffen. Es waren Sende - Empfangsanlagen deutscher und russischer Herstellung vorhanden, die irgendwie in Stand gehalten werden mussten.
Tower1 An Fernmeldetechnik war eine automatische Vermittlung ( Stand der Technik 1940 ) und eine Wechselsprechanlage für etwa 20 Teilnehmer vorhanden. Die Kommunikation mit den sowjetischen Leitzentralen erfolgte über Fernschreiber und direkte Telefonverbindungen ( OB-Apparate ). Für die Anzeige der Uhrzeit wurden mechanische Nebenuhren per Minutenimpuls angesteuert. Die Uhrenzentrale selbst, war mit einer relativ genauen Pendel-Uhr ausgerüstet. Als Kommandoturm diente ein rundumverglaster Holzpavillon auf einem Hangardach, in dem sowohl der Militär- als auch der beginnende Zivilluftverkehr in Platznähe geleitet wurde. Auf dem gleichen Dach war auch der Mitarbeiter der Wetterwarte angesiedelt ( ebenfalls in einem ähnlichen Holzpavillon ).Die Flugleitung des Tower beschränkte sich auf den Sprechfunkverkehr im Nahbereich über UKW, die optische  Sicherung des Endanfluges bis zur Landung und die Organisation der Rollbewegungen am Boden, nach Sicht.
R800 Als Notstation für UKW ( bei Ausfall der Stromversorgung oder anderer technischen Störungen ) stand eine mit Batteriestrom versorgte Flugzeugstation vom Typ R-800 im Tower zur Verfügung. Sie bestand aus zwei Einzelgeräten ( Sender und Empfänger ), die auf jeweils 4 verschieden Festfrequenzen einstellbar waren. ( das Foto zeigt den Sender ). Für KW war ein einfacher kleiner Sender vorhanden. Die notwendigen Batterien waren in einem nahe gelegenem Raum untergebracht.
Zur Navigation im Flughafennahbereich dienten 2 Grenzwellensender im Abstand von etwa 6 bzw. 1 Km Entfernung von der Landebahn entfernt ( Vor-bzw. Haupteinflugzeichen ). Es wurden verschieden Schiffsfunksender aus deutscher Produktion eingesetzt. Sendeleistung etwa 200 Watt.
Das Foto zeigt nur einen ähnlichen Sender
Zusätzlich waren sogenannten Markierungssender  im UKW-Bereich ( 75 MHz ) in den Gebäuden der Einflugzeichen installiert, die dem Piloten eine grobe Entfernungsangabe lieferten. Sie lösten beim Überflug des jeweiligen Einflugzeichens ein optisches und akustisches Signal im Flugzeug aus.
Damit war für den Pilot erkennbar, dass er sich 4000 bzw. 1000 Meter vom Aufsetzpunkt entfernt befindet. Weiterhin war ein automatischer russischer UKW-Peiler ( ARP-5 ) in der Anfluglinie installiert, um auch bei Schlechtwetterlagen, eine besserer Führung zu gewährleisten.

Nachts oder bei schlechter Sicht, wurde eine mit Natriumdampflampen ausgerüstete Lichtzeile in der Verlängerung der Landebahn eingeschaltet. Zusätzlich noch eine Blitzleuchte am Ende dieser Lampenreihe, um erstens den Platz optisch zu markieren und zum anderen, um Verwechslungen mit einer in der Nähe befindlichen Strassenbeleuchtung,  auszuschliessen. Bei schlechter Sicht wurde ein " Start-Kommando-Wagen " in der Nähe der Landbahn aufgestellt, um  dem  Flugzeug die letztendliche Landeerlaubnis oder die Order zum Durchstarten zu erteilen. Später wurde  noch ein russischer Gleitwegsender  ( Typ SP-50 )aufgebaut, so dass der Pilot eine Information in der vertikalen Ebene erhielt. Viele Kleinflugzeuge hatten damals noch keine besonders guten Funkgeräte, so das der Tower-Kontrolleur mit eine grünen bzw. roten Signal-Rakete die Landung erlauben bzw. verbieten musste. Diese Art der Signalisierung wurde auch bei Ausfall der Funkverbindung genutzt.
Sender

Für mich eine sehr interessante erste Erfahrungen mit dem Flugverkehr.

Da die Sprechverbindung vom Tower zu den Flugzeugen, auf Grund der primitiven Technik relativ unstabil war, erhielt ich kurz nach meiner Einstellung, den Auftrag, diese zu verbessern.
Das Problem lag darin begründet, dass die Sprachübertragung  und die Einschaltung der Sender über ein spezielles Mikrofon erfolgte, das oft defekt war und mehrmals in der Woche ausgewechselt werden musste.
Mit einem selbst gebauten Röhrenverstärker, inklusive Schalteinheit, der erstens den Einsatz eines wesentlich besseren Mikrofons ermöglichte und gleichzeitig die problemlose Steuerung der Sendeanlage ermöglichte, konnte ich diese Aufgabe zur Zufriedenheit aller lösen.

Für Fachleute :
Das Mikrofon war mit eine Kohlegrieskapsel ( siehe Telefone der Baureihe 38) ausgerüstet und der Einschaltstrom der Senderelais führte nach einiger Zeit zum Zusammenschweissen der Kohlekörner.
Dazu kamen noch Fehlströme auf dem Kabel zur Sendeanlage, welche etwa 200 Meter weiter, in einem Gebäude installiert war.
Der Röhrenverstärker wurde mit einer kleinen Endröhre ( EL 84 ) ausgestattet, welches die Nutzung eines niederohmigen Ausgangstrafos ermöglichte. Damit wurde am Sendereingang, unabhängig von Kabelfehlern eine konstante Eingangsspannung garantiert. Gleichzeitig konnte der Schaltstrom sich nicht mehr auf die Modulationsqualität auswirken.
Als Mikrofon wurde eine dynamische Sprechkapsel verwendet. Auf Grund der veralteten Sendetechnik und der schlechten Kabelwege, traten des öfteren unbemerkte Ausfälle der Sprachübertragung auf. Dieses wurde meist erst dann  bemerkt, wenn ein Flugzeug im Anflug war und keine Verbindung zum Tower bekam.
Hierfür entwickelte und baute ich im Tower, Mini-Empfänger ein, die mittels eines Zeiger-Instrumentes eine relative Aussage über die Aussendung gestatteten.

Tower2 Des weiteren habe ich dann auch gleich die Towertechnik  technisch und optisch mit den damaligen Mitteln modernisiert. Das war nur möglich, da wir aus Sicherheitsgründen einen 3 Schichtbetrieb absolvierten und damit relativ viel Zeit hatten um, solche Aufgaben nebenbei zu erledigen.
Aus ökonomischen Gründen wurde aber baldmöglichst auf normalen Tagesbetrieb umgestellt und alle Kollegen in den Bereitschaftsdienst einbezogen. Wenn Störungen gemeldet wurden, musste der Einsatzfahrer, den betreffenden Kollegen von zu Hause abholen. Eine Telefonverbindung war dieser Zeit Luxus und besonderen Mitarbeitern vorbehalten.
Die Sprach- Kommunikation mit den Flugzeugen im Nahbereich erfolgte über UKW ( APP-Bereich ).
Der Bereich bis zur Staatsgrenze ( ATCC-Bereich ) wurde über Kurzwelle abgedeckt. Hierfür standen mehrere 0,5 bis 1,0 KW-Sender ( Firma Telefunken ) und als Empfänger ein  „Dabendorf“ zur Verfügung. Die Kurzwellenverbindung zu weiter entfernten Flugzeugen und der Empfang von Wettermeldungen erfolgte per Morse-Telegrafie. Für diese Zwecke wurde anfangs ein Kurzwellenpeiler auf dem Flughafengelände genutzt - später ein spezieller Raum im Hauptgebäude, in dem dann auchdie Fernschreiber und  die Kurzwellenfunker ihre Arbeitsplätze hatten ( das sogenannte Radio-Büro ).
Die Kurzwellensender hatten etwa 1 KW Leistung und die  Empfänger waren vom Typ „Lambda“ der Firma Tesla. Der Empfang auf Kurzwelle war, auf Grund der in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes aufgebauten Empfänger und den dazu in Gebäudenähe montierten Antennen, durch die Störstrahlung aller möglichen anderen Geräte, nicht sonderlich gut. Hierzu bauten wir versuchsweise einen alten russischen Empfänger so um, dass er fernbedient werden konnte.
Dabendorf Lambda 4 Lambda 5
Die Aufstellung desselben erfolgte weit ausserhalb des Flugplatzes in einem vorhandenen Trafohaus und über einen Kabelweg wurde die Bedienung am Arbeitsplatz realisiert.
Damit war ein fast störfreier Empfang garantiert.

Für Fachleute
:
Verwendung fand ein Empfänger vom Typ US-9, amerikanisches Äquivalent ist der BC 348 HF und NF Regelung wurden auf einen optimalen Wert fest eingestellt. Dem Oszillatordrehko wurde ein fernbedienbarer Trimmer
parallel geschaltet und damit konnte die Arbeitsfrequenz im Bereich von etwa 10 KHz lückenlos variiert werden. Als Trimmer haben wir einen Stellungsanzeiger aus einem Flugzeug verwendet, der entsprechend umgebaut wurde. Die Original-Anzeigenadel konnte im Bereich von von 0 - 90 Grad durch einen Gleichstrom bewegt werden. Die Anzeigenadel wurde entfernt - zwei Messingbleche in Form eines Schmetterlings zurechtgeschnitten - eins davon fest montiert und das andere drehbar darüber, anstelle der Anzeige-Nadel aufgesetzt. Fertig war der Schmetterlingsdreko.
BC 348
Mit Potentiometern  am Arbeitsplatz, konnte der Funker jetzt die Empfangsfrequenz in engen Grenzen variieren und die Lautstärke regulieren. Für die Erhöhung der Reichweite der UKW-Verbindungen ergab  sich auf Grund von persönlichen Beziehungen mit dem FUNKAMT der Post in  KÖNIGSWUSTERHAUSEN, die Möglichkeit, auf dem damals noch existenten Mittelmast, eine Funkstation zu errichten.
Mast KW 1

Der mittlere Turm auf dem Gelände des Funkerbergs in Königswusterhausen, war ein 243 Meter hoher, gegen Erde isolierter, freistehender Stahlfachwerkturm. Er wurde 1925 fertiggestellt und  diente als zentraler Punkt, zur Abspannung von Antennen.
Im Mittelrohr ( ca. 80 cm Durchmesser ) befand sich ein Lastenaufzug zur oberen Kanzel. Die Kanzel selbst, war nur durch eine Wendeltreppe zu erreichen ( 1240 Stufen ).
1972 fiel er bei einem Orkan um.

Eine Menge Schrott.

In etwa 240 Meter Höhe konnten wir in der Kanzel,  eine Flugzeug-Funkanlage vom Typ R800,  zum Test aufbauen. Die Versuche waren äusserst ermutigend. Man  konnte mit den Flugzeugen kurz nach dem Start in Prag, trotz der geringen Sendeleistung von etwa 6 Watt, Verbindung aufnehmen.

Von der Flughafen-Leitung wurde daraufhin beschlossen, diese Technik fest zu installieren. Vor uns stand nun das Problem der Fernbedienung dieser Anlage. Eine direkte Steuerung war auf Grund der langen Kabelstrecke und der zwischengeschalteten Postverstärker nicht möglich. So mussten wir uns mit der Fernbedienung über Tonfrequenz auseinandersetzen. An technischen Unterlagen stand uns  nur wenig aussagekräftige Literatur zur Verfügung, so dass wir vieles selbst entwickeln und erproben mussten. Dabei kamen zum ersten Mal, Halbleiter-Bauelemente aus der DDR-Produktion zum  Einsatz.

Mast KW 2

Mit diesen bauten wir dann die gesamte Steuerung so  auf, dass  mit nur 2 Leitungen, sowohl die Übertragung der Sende-Empfangsinformation, als auch die Einschaltung der Sendeanlage möglich wurde. Nachdem noch die nicht ganz einfache Realisierung der Kabelverlegung innerhalb des Turmrohres erledigt war, konnte die Anlage dem Flugsicherungspersonal zur Nutzung übergeben  werden.

Für Fachleute :
Zur Fernschaltung benutzten wir eine Tonfrequenz von etwa 3 KHz, die gleichzeitig mit der Sprachinformation übertragen wurde. Diese wurde dann vor dem Modulationseingang des Senders durch ein Eigenbaufilter
ausgesiebt und einer sogenannten " Schuhmacher-Schaltstufe " zugeführt. In dieser speziellen Schaltstufe erfolgte die Verstärkung der NF, die Gleichrichtung und die Gleichstromverstärkung für das Sende-Relais, mittels einem einzigen Transistor. Beim Eintreffen der 3 KHz  wurde somit Relais erregt und dessen Kontakt schaltete die Anlage von Empfang auf Senden um. Die 3KHz wurden natürlich vor dem Modulationseingang des Senders mit einem Sperrkreis soweit gedämpft, dass sie nicht störend übertragen wurden.

Übrigens wurde durch diese Montage nicht nur unser Wissen erweitert, sondern auch unsere körperliche Kondition - immerhin mussten wir unzählige Male die 1240 Stufen einer Wendeltreppe rings um den Turmschaft ersteigen, um in  die Kanzel zu gelangen .
Hoch brauchten wir mit Pausen etwa 45 Minuten - runter ging es bedeutend schneller. Etwa 20 Minuten und dann den Drehwurm austrudeln.
Leider konnte diese Anlage nur etwa ein halbes Jahr lang genutzt werden, dann wurde die zweite Staatsmacht, das MFS, auf diese günstige Lage aufmerksam und wir mussten unserer Technik wieder abbauen.

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